Wut, Ärger, Hass, Zorn, Groll, Gewalt, Zerstörung, Schreien, Verletzungen, Konflikt: das habe ich damals mit Wut verbunden. Warum die Wut heute eines meiner wichtigsten nach außen kommunizierten Themen ist, möchte ich dir in diesem Artikel näher bringen. Das lodernde Feuer, welches sich in der Wut verbirgt, kann und wird dein Leben nachhaltig verändern. Wie ich meine Wut funktional freigelegt habe und welche Wege ich gegangen bin, wirst du in diesem Beitrag erfahren.
Feuer kann wärmen, unsere Nahrung garen und Licht in der Dunkelheit spenden. Feuer kann aber auch zerstören, verbrennen und für Narben sorgen. Warum einige Menschen eher einen Feuerlöscher brauchen und andere hingegen Spiritus, wird im Laufe des Beitrages klarer. Eins vorab: Es liegt an unseren inneren Kanälen und Fähigkeiten, wie wir mit dieser Energie umgehen.
Überschrift #1: Wut und Stigma
Immer öfter bekomme ich mit, wie Menschen sagen: "Ich bin selten wütend", oder "Wut kann ich nicht so gut". Das wäre so, als würdest du über einen deiner vier Autoreifen sagen:
"Ne, den hinten links benutze ich beim Fahren eher selten".
Erinnere dich mal an einen Moment zurück, indem du dir nach einer Situation oder gewissen Phase gesagt hast: "Jetzt reichts, so mache ich nicht weiter/so lasse ich mich nicht behandeln". "Jetzt muss ich anfangen/aufhören". - Das wäre ohne einen Ärger nicht möglich gewesen. In diesem Modus liegt unfassbar viel Kraft. Ein funktionaler Ärger/Wut hilft dir, beim Erreichen deiner Ziele. Du bleibst dran, weil du Zielhindernisse überwinden kannst. Ich möchte die Wut von ihrem Stigma befreien, weil da für jeden Einzelnen
so viel Freiheit zu holen ist.
Meine Beziehung zur Wut hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher war meine Wut dysfunktional, gewalttätig, laut, unkontrolliert und zerstörerisch. Heute ist sie meine Klarheit, meine Abgrenzung, mein Antrieb und meine Selbstwirksamkeit.
Überschrift #2: Was kann die Wut?
Wut hilft dir, Einfluss zu nehmen und dich durchzusetzen. Stell dir mal die Frage, was das mit deinem Selbstwert macht. Plötzlich setzt du Grenzen, stehst für dich ein und priorisierst dich an entsprechender Stelle. Du lässt niemanden schlecht mit dir umgehen, überwindest deine Zielhindernisse und lebst deinen Weg
Das ist wie Honig für deinen Selbstwert.
Ich unterteile den wahrgenommenen Selbstwert in drei Säulen:
Ich tue, dann bin ich wertvoll (Wut, Ärger)
Ich habe, dann bin ich wertvoll (Eigentum, Materialismus)
Ich bin wertvoll durch mein Sein (Selbstannahme, Akzeptanz)
Am gesündesten ist wohl offensichtlich die Selbstannahme und Akzeptanz. Ich bin einfach.. und dadurch bin ich wertvoll. Das Feld der Selbstannahme kann man sich jedoch wie eine Wippe vorstellen, die genauso von dem Tun beeinflusst wird. Das muss in diesem Beispiel nichts mit einer äußeren Tat zutun haben. Es geht viel mehr um die innere Qualität, sich durchsetzen zu können, es vielleicht aber an geeigneter Stelle gar nicht zu müssen.
Dazu ein Beispiel: Ein Profiboxer gerät in seiner Freizeit in einen Konflikt. Er ist in einer Bar und ein Betrunkener pöbelt ihn an. Um hier in Aktion zu kommen, braucht es eine funktionale Wut -> ich grenze mich ab, ich verteidige mich im Notfall.
Jetzt weiß der Profiboxer aber aus seiner Erfahrung, dass er den Mann physisch leicht besiegen könnte. Und in dem Moment entscheidet er, es nicht zu tun. Er weiß aber, dass er könnte - aber er muss nicht. Er muss es sich selbst nicht beweisen, weil er die natürliche Qualität in sich trägt, sich durchzusetzen und Einfluss zu nehmen.
Du kannst nur richtig Ja sagen, wenn du gleichzeitig auch Nein sagen könntest.
Überschrift #3: Wann Wut zerstörerisch wird
Wut wird dann zu Gewalt, wenn sie in ihre Dysfunktion rutscht. Oft ist es so, dass Menschen Wut unterdrücken, sich zurücknehmen und irgendwann platzen. Andere hingegen, die oft übersteuert nach Außen ihren Ärger tragen, empfinden in der Tiefe eine noch größere Trauer. Wut und Trauer sind wie Geschwister und dienen als Ausdruck in der Welt. Die beiden gehen meist Hand in Hand.
Ein Beispiel anhand von Archetypen: Stell dir einen König vor, der gleichzeitig auch einen Liebenden in sich trägt. Er regiert, behandelt sein Volk gut, weil er beides kann. Er ist "in seiner Mitte". Er ist balanciert. Kippt der König (Wut, Ärger in der Funktionalität) nun in seinen Schatten, und verliert den Liebenden (Funktionalität in Selbstannahme, Akzeptanz) in sich, wird er zum Tyrann (Dysfunktion Wut, Ärger). Das passiert oft dann, wenn die Harmonie und Geborgenheit zu einer Zeit in unserem Leben stark gestört wurde. Kippt der Liebende (Funktionalität Harmonie und Geborgenheit) in den Schatten, kann also den König nicht leben, wird er zum Abhängigen (Dysfunktion Harmonie und Geborgenheit).
Aus diesem Gleichgewicht entsteht die Achse des sozialen Status (Selbstwert).
Überschrift #4: Wut tötet Illusionen
Das schöne an einer funktionalen Wut: Sie sorgt für einen klaren Blick.
Eine meiner Klientinnen hat einige belastende Situationen mit einem Mann erlebt. Nachdem wir den Stress aus diesen Situationen verarbeitet haben, ist sie wie aufgewacht. Die Wut wurde so lange unterdrückt, hat sich dann entpuppt, wurde integriert und hat für eine absolute Klarsicht gesorgt. "Jetzt erkenne ich erst, was ich da alles mit mir hab machen lassen". Vorher war ihr das kaum bewusst. In dem Moment konnte sie eine neue Entscheidung treffen - "so etwas lasse ich nicht mehr mit mir machen". Aber sie hat es nicht gedacht, sondern gefühlt. Und das ist der große Unterschied. Das eine ist erzeugt und gedacht, das andere ist aufgrund neuer innerer Fähigkeiten möglich.
Die Wut ist also nicht nur ein Illusionsmörderin, sondern auch eine Assistenz für das Treffen von Entscheidungen.
Wut befreit aus der Opferrolle.
Niemand hinterfragt eine klare und bestimmende Wut.
Überschrift #5: Wie kann ich meine Wut befreien?
Das ist total einfach und zugleich hochkomplex. Eine einfache Frage ist, weshalb kannst du deine Wut nicht leben, bzw. zeigen? Dann hört man oft so etwas wie: "Dann könnte ich den anderen verletzen". Das bedeutet, dort liegt eine Verletzung zugrunde. Oft landet man (wie so oft) im Elternhaus. Natürlich nicht immer, nur die Grundprogramme unserer Festplatte werden in den ersten sieben Jahren des Lebens geschrieben. Dort sind oft auch unsere Programme für Wut, Lautstärke, Raum nehmen usw. usf. abgespeichert. Verändern können wir sie dann, wenn wir durch die Schuld- und Schamgrenze gehen. Also in Therapie, Coaching, Seminaren oder was auch immer, die "Deckel" öffnen und lernen, mit dieser Energie umzugehen und feststellen: "oh, es ist niemand gestorben, weder ich noch mein Gegenüber". Das ist natürlich überspitzt ausgedrückt und manchmal liegen da auch schwere Erlebnisse hinter, die sensibel betrachtet und gelöst werden dürfen.
Eine Übung die hochwirksam und zugleich so einfach ist: Du bist wütend? Schnapp dir ein Kissen, prügel da rein und bringe die Energie in Bewegung: Brülle in das Kissen. Mehrere Male, so lange, bis du merkst, dass die Energie raus ist bzw. dein System stabilisiert ist. Boxen ist eine gute Idee, Joggen hingegen weniger. Beim Laufen im gleichbleibenden Tempo, haben wir überwiegend repetitive Wiederholungen. Das baut ein Agressiolevel nur kurzfristig ab. Beim Boxen hingegen sind die Schläge stärker aufgeladen und nicht in einem festen Rhythmus abgefeuert.
Danach lässt sich klarer sehen und du kannst den nächsten Schritt gehen.
Überschrift #6: Fazit
Die Wut zu entfesseln und den inneren Kanal für diese Art von Ausdruck freizulegen, ist ein essenzieller Meilenstein für ein gelingendes und freies Leben. Die Wut scheidet uns aus Situationen, in die wir nicht hätten reingeraten sollen. Sie trennt uns aus dysfunktionalen, emotionalen Abhängigkeiten. Sie malträtiert unsere Opferrolle, hilft uns im Entscheidungsprozess, sieht klar und deutlich was ist und steht für sich selbst ein.
Wut tut gut, wenn sie funktional und sauber gelebt und gefühlt wird. Erst die dysfunktionalen Masken und Spielformen der Wut machen Probleme: Zorn, Hass, Groll. Das hat aber mit der Feuerenergie die in der Wut liegt nichts zutun, sondern entsteht aus langanhaltenden, unbewussten/bewussten Konflikten, die wir mit uns herumtragen. Oft ist hier Schuld ein wichtiger Faktor den es zu berücksichtigen gilt. Ohne Ärger keine Schuld.
Heute danke ich der Wut, dass sie mich schützt und mir hilft, meine Ziele zu erreichen.
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