Einsamkeit vs. Alleine sein - Warum fühlen wir uns manchmal einsam, selbst unter Menschen? Die Antwort liegt in unseren Bindungsmustern: sie sind der
Schlüssel zu tiefer Verbundenheit und wahrem Glück.
Bindung ist wie ein unsichtbares, emotionales Band, das unabhängig von Raum und Zeit stabil bleibt. John Bowlby - Bindungsforscher.
Überschrift #1: Auswirkungen von Einsamkeit
Überschrift #2: Glück und Bindung
Überschrift #3: Verbunden und entkoppelt
Überschrift #1: Auswirkungen von Einsamkeit
Einsamkeit schien ein Thema des hohen Alters zu sein. Umfragen zeigen jedoch etwas anderes: jeder zehnte Befragte im Alter zwischen 16- und 30 gibt an, sich sehr einsam zu fühlen. Weitere 35% gaben an, sich moderat einsam zu fühlen. Je nach Geschlecht und Altersgruppe schwanken die Werte zwischen 33 und 51 Prozent. Am stärksten sei die Einsamkeit im Alter von 19-22 heißt es hier. Vor allem betroffen sind junge Frauen.
Für die Umfrage wurden im März 2024 2.532 junge Menschen im Alter von 16 bis
30 Jahren online befragt.
Das Fehlen von starken soziale Bindungen hat mehr Einfluss auf die Sterbewahrscheinlichkeit, als Rauchen, Umweltverschmutzung, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Übergewicht oder Bewegungsmangel. Dies zeigte eine Meta-Analyse mit insgesamt 308.849 Probanden (Holt- Lunstad, Smith, und Layton, 2010).
Anders formuliert: haben wir starke soziale Bindungen, erhöht das die Überlebenswahrscheinlichkeit um 50%.
Überschrift #2: Glück und Bindung
Doch geht es nicht nur um Gesundheit, wie uns die Grant-Studie zeigt. Diese Studie, die 1939 begann, umfasste unter anderem 268 Harvard-Absolventen der Jahrgänge 1939 bis 1945 bis zu ihrem 80. Lebensjahr. Die Probanden wurden in einer der größten und aufwendigsten Studie überhaupt, begleitet und regelmäßig befragt. Die Forscher sammelten Unmengen an Daten aus dem Leben der Probanden, wann sie heirateten, Depressionen bekamen, Firmen gründeten, Todesfälle in der Familie usw. usf.
Darunter einige Berühmtheiten wie bspw. John F. Kennedy.
2013 wurde der heute 90- Jährige Harvard Professor, Psychiater und Leiter der Grant-Studie George Vaillant befragt, ob er eine kurze und prägnante Definition von Glück formulieren kann. Seine Antwort lautete: „Glück ist, nicht immer alles gleich und sofort zu wollen, sondern sogar weniger zu wollen. Das heißt, seine Impulse zu kontrollieren und seinen Trieben nicht gleich nachzugeben. Die wahre Glückseligkeit liegt dann in der echten und tiefen Bindung mit anderen Menschen“.
Überschrift #3: Verbunden und entkoppelt
Aber was bedeutet Einsamkeit eigentlich genau? Und weshalb gibt es Menschen, die oft Alleine sind und sich dennoch mit weit entfernten Verwandten oder Freunden verbunden fühlen? Die bloße Anwesenheit von Menschen reicht nicht aus, um sich verbunden zu fühlen. Man kann mit unzähligen Menschen in der Bahn oder im Bus sitzen und sich dennoch einsam fühlen.
Die Magie und zugleich die Antwort liegt in unserer inneren Bindungsrepräsentation. Man könnte auch sagen: dem inneren Arbeitsmodell von Bindung.
Als Erwachsene tragen wir durch erlebte Erfahrungen mit unseren Bindungspersonen ein inneres Arbeitsmodell von Bindung in uns (eine mentale Bindungsrepräsentation), das sich in vier Muster einordnen lässt: sicher-autonom, unsicher-distanziert, unsicher-verstrickt und unverarbeitetes Trauma.
Eine Studie aus dem Jahr 1998 konnte bei Jugendlichen zeigen: Die sichere Bindung sorgt dafür, dass sie ein geringeres Maß an elternbezogener Einsamkeit aufweisen. Dieser Effekt wirkt sich auch auf die Einsamkeit in Beziehungen mit Gleichaltrigen aus. (Goossens, Marcoen, van Hees, und van de Woestijne, 1998).
Der Zusammenhang zwischen der Qualität unserer Bindungsrepräsentation und dem subjektiven Erleben von Einsamkeit oder Verbundenheit liegt darin, dass unser inneres Arbeitsmodell von Bindung als Filter für unsere aktuellen Beziehungserfahrungen dient. Das bedeutet: wie wir diese bewerten und wahrnehmen.
Somit kann ich mich mit einem physisch weit entfernten Verwandten stark verbunden fühlen, auch ohne dessen Anwesenheit.
"Die Art unserer Bindungsrepräsentation steuert, welche Erwartungen und Bedürfnisse wir in einer Beziehung haben, wie wir uns in ihr fühlen und wie offen wir für Neues sind" (Anna Buchheim, Bindungsforscherin 2016).
Die verschiedenen Bindungsmuster sind in vielen Untersuchungen nachgewiesen und werden nach unterschiedlichen Schemata geprüft.
Überschrift #4: Veränderung
Bindungsmuster werden vereinfacht gesagt gelernt durch Sicherheit und Exploration: Ein Wechselspiel aus Nähe, Schutz, und Fürsorge -> und Abenteuer, die Welt entdecken und eigene Erfahrungen machen.
Die Forschungsergebnisse zeigen: die Art der Bindungsrepräsentation spielt eine bedeutende Rolle für das allgemeine Wohlbefinden und der Gesundheit. Laut einer Meta Analyse wurde dieser Zusammenhang bestätigt - eine sichere Bindung ist das Kernelement einer positiven Anpassung im Sinne von Resilienz (Darling Rasmussen et al., 2019). Eine sicher-autonome Bindungsrepräsentation hilft uns, emotional ressourcenvoll auf die Umstände und Widrigkeiten des Lebens zu reagieren und uns von Rückschlägen besser zu erholen.
Die positive Nachricht: das Bindungsmodell ist dynamisch und verändert sich im Laufe des Lebens. Untersuchungen zeigen jedoch, dass das eigene Selbstwertgefühl mit dem Empfinden von Einsamkeit korreliert. Wie wir sehen, ist das Thema Bindung von unfassbar hoher Bedeutung für ein gutes Leben. Positive Bindungserfahrungen stärken das Bindungsmodell und in Therapie und Coaching gibt es diverse Interventionen, um das Bindungserleben ressourcenvoll zu gestalten.
In meinem Ansatz arbeite ich integrativ und vereine systemische Ansätze aus der Familientherapie, mit den neuesten neurologischen Untersuchungen und Interventionen aus EmTrace (Eilert Akademie). Die tiefe Empfindung von Zugehörigkeit lässt sich installieren, auch nachträglich. Ich war ein unsicher-verstrickter Bindungstyp, doch durch systemische Aufstellungen, Musteranalysen, und Arbeiten an meinem Bindungsverhalten, zähle ich mich heute zu einer sicheren-autonomen Repräsentation.
„Eine sichere Bindungsentwicklung und das damit verbundene Urvertrauen wirken wie ein großer Schatz auf seiner [Kind] anstehenden Reise.“ Prof. Dr. Brisch, 2010
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